Günters Garten in Sievering
Wir haben einen lieben Freund, der einen interessanten Garten in Sievering in Wien hat.
Dieser Garten ist kein Hortus, es ist ein gepflegter Naturgarten, so könnte man ihn am besten beschreiben. Etwas, das selten geworden ist, zeichnet ihn aus: eine Streuobstwiese mit vielen Obstbäumen und vielen heimischen Wildblumen mit einer Größe von ca. 2000 Quadratmetern. Und das ganze an einem ganz schön steilen Hang am Wienerwald.
Ursprünglich war dieser Garten ein Weingarten. Wen wunderts, gibt es doch nicht umsonst die berühmten Heurigen in Wien, wo die Winzer die „Ausgsteckt is“-Taferl aufhängen.
Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts allerdings ist es ein Obstgarten, damals blühten und fruchteten noch viele Zwetschkenbäume. Ich bin sicher, dass daraus herrlicher Powdil gemacht wurde.
Seit der Zwetschenbaumära wird diese Wiese 2x jährlich mit der Sense gemäht, und das hat sich bis heute nicht geändert. Das 1. Mal wird im Frühjahr, um Mai/Juni herum und das 2. Mal im Herbst, das kommt dann auf die Wetterlage an, gemäht. Ein Profi kommt mit dann mit seiner Sense und mäht, denn das ist eine Kunst, die heutzutage nicht mehr viele Menschen beherrschen. Wie man so hört, gibt es aber wieder Sensenkurse, weil viele Menschen wieder eine Wiese anlegen und sie richtig mähen wollen. Früher wurde das Mähgut verbrannt, so wie allgemein üblich, heute kompostiert es Günter im Garten. Dieser Kompost ist wahrhaft ungewöhnlich: es handelt sich um einen Bombentrichter aus dem 2. Weltkrieg. Gut, dass er jetzt so friedlich genutzt wird.
Unser Freund hat sich schon als Kind sehr für diesen Garten interessiert und gerne beim Bäume pflanzen geholfen.
Als Günter dann den Garten von seinem Großvater übernommen hat, waren noch viele uralte Obstbäume vorhanden. Mir war früher gar nicht klar, dass Obstbäume nicht ewig leben. So richtig bewusst wurde mir das in unserem Hortus in Kärnten, wo wir auch sehr alte Obstbäume stehen haben und man deutlich sieht, dass sie in die Jahre gekommen sind und schon etliche teilweise absterben.
Wenn ein Baum stirbt, setzt Günter hauptsächlich Obstbäume nach. Jedes Jahr bekommen wir einen freudigen Bericht, was er wieder gesetzt hat. Und wir freuen uns mit ihm – nicht nur, weil wir oft in den Genuss herrlicher Obstkuchen kommen. 🙂
Der Boden ist mager, scheint sandig, und ist extrem trocken im Sommer. Wie viel Mähgut anfällt, hängt direkt mit den Niederschlägen zusammen. In niederschlagsarmen Jahren fällt daher deutlich weniger an.
Der Boden ist allerdings durchlässig, das Wasser versickert sehr schnell. Die frisch gesetzten Bäume werden natürlich mit Wasser versorgt, bis sie sich selbst durchschlagen können.
Es gibt rund 40 Obstbäume! Und genau das ist das Tolle an diesem Garten. In anderen Gärten findet man meistens Ziergehölze, Nadelbäume, Exoten. Die schon tradionell gewordenen Thujen, neuerdings abgelöst vom exotischen Kirschlorbeer und Nadelbäumne. Obstbäume bieten Insekten reichlich Nahrung, man stelle sich nur zum Baum, wenn er blüht. Dann kann man den eifrigen Bienen, Käfern und vielen anderen Insekten beim Sammeln zuschauen. Und wir dürfen uns dann über eigenes (Bio-)Obst freuen. Wenn die Wildblumenwiese zur Höchstform aufläuft, legt man sich am besten auf den Rücken, schaut in den Himmel schauen und lauscht dem Gesumme. Ist das nicht herrlich?
Wenn man eine Wildblumenwiese anlegen möchte, sollte man einige Punkte beachten.
Es genügt nicht, einfach ein Stück Rasen, Gras, Wiese, das man bereits auf „fettem“, also gedüngten Boden, hat, nun nicht mehr zu mähen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird man ziemlich man enttäucht werden. Eine echte Blumenwiese kann sich auf so einem Boden nicht entwickeln. Eine Wildblumenweise gedeiht nur auf magerem Boden. Und den haben wir üblicherweise nicht im Garten. Im Gegenteil, fast alle Gärten haben „fetten“ Boden, denn man wird mit Düngetipps und -mittelchen bombardiert.
Woher also nehmen und nicht stehlen, den mageren Boden?
Man magert den Boden ab. Nur auf magerem Boden erhält man über die Jahre ein eine wirkliche Artenvielfalt bzw. Biodiversität. Wie aber abmagern? Einfach den Boden auf „Dünger-Diät“ setzen hilft hier nix. Man sollte mIndestens 25 cm der oberen nährstoffreichen Schicht bzw. zumindest die Grasnarbe abtragen. Der Unterboden sollte dann weitgehend frei von Unkrautsamen sein. Substrate wie Sand oder Split magern den Boden ab. Das mindeste ist, die Grasnarbe abzutragen, dann lockert man den Boden auf und arbeitet Sand und/oder Split ein. Wildblumensaatgut mit Sand mischen und aufbringen. Am besten im zeitigen Frühjahr oder Herbst machen. Im Sommer ist es zu heiß. Mindestens 5 bis 6 Wochen gut feucht halten.
Auf unseren typischen gedüngten Böden gedeihen um die 90 Pflanzen, auf mageren über 1300. Man glaubt es kaum, dass so viele Pflanzen magere Substrate bevorzugen. Mager heißt nicht trocken. Mager heißt nährstoffarm. Es gibt mager und feucht, mager und trocken, mager und sonnig, mager und schattig… Nach diesen Gesichtspunkten sucht man das Saatgut aus.
Manche haben das Glück, einen mageren Boden vorzufinden und müssen sich nur mehr ums Mähen kümmern. Wichtig bei einer Wildblumenwiese ist, das Mähgut keinesfalls liegen zu lassen, denn dann düngt es den Boden und das wollen wir nicht. Mager = ungedüngt! Komposterde ist bester Dünger. Also eine Wildblumenwiese keinesfalls mit Kompost düngen. Lieber aufs Gemüsebeet damit.
Was wird frisch von Günter verspeist oder zu Marmelade verarbeitet? Himbeeren, Brombeeren (26 Wildbienenarten sammeln Pollen davon), Erdbeeren (wenig zum Essen, die Schnecken sind schneller), eine kleine Feige und rote Ribisel.
Hibiskussträucher ersetzten die vom Buchsbaumzünsler zerfressenen Buchsbäume neben der Terrasse. Frühblüher wie die Zaubernuss, außerdem Pimpernuss, Flieder, Holunder, Goldregen gibt es hier auch.
Man findet auch noch Dost (Oreganum vulgare), Schneeglöckchen, Primeln, Krokus, Zwergiris, Tulpen, Leberblümchen, Traubenhyazinthen und viele Wildblumen. Herbstastern, Jasmin, Bärlauch, Clematis, viel Efeu, der, wenn er blüht, viele Insekten anlockt und die Vögel mit seinen Beeren verköstigt.
Gänseblümchen, Rotklee, Weißklee, Breitwegerich, Spitzwegerich, Wiesensalbei, lila und weiße Veilchen, Märzenbecher (Narzissen), Klatschmohn kommt und geht, viel Moos, Pfingstrosen, Schlüsselblumen, Rosen, Stockrosen und Wolfsmilch.
Toll, was sich sonst so im Garten alles angesiedelt hat. Günter hat nichts davon ausgesät, es ist alles von selber gekommen. Der Wind hilft mit, Samen zu verbreiten, die Ameisen sowieso, Vögel säen mit ihren Hinterlassenschaften auch fleißig aus und tierische Gäste mit Fell bringen in ihrem Fell auch Samen mit.
Mit dem Buch „Was blüht denn da“ in der Hand ist unser Freund immer wieder durch den Garten gestreift und hat herausgefunden, welche Schätze er da im Garten hat: Zaun-Giersch, die Ackerwinde, Kleiner Odermennig, Gänsedistel, Weiß- und Rot-Klee, Wald-Habichtskraut, Tüpfel-Hartheu, Walderdbeere und Gemeine Pastinake. Die wunderschönen Zwergiris haben es mir besonders angetan. Vielleicht gelingt mir nächstes Jahr zur richtigen Zeit ein Foto. Ruf mich an, Günter, wenn die Zwergiris blühen!!
Vor 10 Jahren tauchte eine Gottesanbeterin erstmalig im Garten auf. Sie wärmte sich im September an der Hausmauer.
Mittlerweile gibt es eine stabile Population im Garten. Mitte Oktober 2022 hat eine Gottesanbeterin ein Kellerfenster als Kinderstube auserkoren. Es ist ein altes Kastenfenster und sie kroch an einer Stelle, an der sich ein Hasengitter befindet, in das Kastenfenster hinein und:
So lebte sie noch einige Wochen in diesem Schaukasten. Günter fütterte sie mit Fliegen und Heuschrecken. Nicht umsonst heißt es ja „Kost und Logis“, da darf die Bewirtung nicht fehlen. (Das erinnert mich an „Insektenhotels“, die mitten im artenarmen Rasen oder auf versiegelten Flächen stehen…: Logis ohne Kost)
Im nächsten Jahr im Juni zeigten sich endlich die Jungen. Der Ziehvater konnte es kaum erwarten. 😉 Es waren 13 an der Zahl. Jedes einzelne Gottesanbeterinnenbaby hat er vorsichtig aus dem Kellerfenster-“Schaukasten“ hinüber auf den Lavendel gesetzt.
Mit einem Blick auf die Obstbäume mit der Wiese schließe ich meinen Bericht über diesen Sieveringer Garten.
Die ganz wilden Tiere dort stelle ich euch in DIESEM Beitrag mit einigen Videos vor 😉 .
Es ist immer schön, hier einen Gartenrundgang zu machen, wir steigen dann langsam den Hang hinauf und haben von oben einen herrlichen Blick auf Wien. Wir hoffen beide, Günter und ich, dass euch dieser fotografische Rundgang gefallen hat.
Liebe Grüße, aus Sievering, eure Karin!
© Einige (Handy-)Fotos mit freundlicher Genehmigung von Günter.
© weitere Fotos und Text: Karin Kurzmann